Der European Accessibility Act
Der EAA ist eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rates, die zum Ziel hat, in der gesamten EU einheitliche Barrierefreiheitsstandards für Produkte und Dienstleistungen zu schaffen. Die Richtlinie definiert Anforderungen basierend auf den Grundsätzen der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit, um der zunehmenden Nachfrage nach barrierefreien Lösungen gerecht zu werden. Hintergrund sind sowohl eine steigende Zahl von Menschen mit Beeinträchtigungen als auch eine alternde Gesellschaft. Die Richtlinie setzt voraus, dass eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, welche Endnutzern auf dem EU-Markt angeboten werden, barrierefrei zu gestalten sind. Der EAA erstreckt sich auf verschiedenste Bereiche wie Computer, Betriebssysteme, Smartphones, Bankdienstleistungen und E-Commerce-Plattformen. Weiters erfasst sind physische Schnittstellen wie Geldautomaten, Ticketautomaten und Check-in-Kioske. Darüber hinaus müssen auch Dienstleistungen in Bezug auf audiovisuelle Medien, Telefonie, digitales Fernsehen, E-Books und der Personenverkehr an die Bedürfnisse von Menschen mit funktionellen Einschränkungen angepasst werden. Dienstleister müssen daher Folgendes gewährleisten:
- Barrierefreiheit über Dienstleistungen hinweg: Es ist sicherzustellen, dass benutzerorientierte Kommunikationsmittel und digitale Plattformen (z. B. Mobile Banking-Apps, Kundensupport-Tools, Zahlungsdienste und Prozesse wie Identifizierungsmethoden und elektronische Unterschriften) wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sind.
- Vereinfachte Sprachverwendung: Die Sprachkomplexität für B2C Dienste und Produkte darf das Niveau B2 nicht übersteigen.
- Fortlaufende Compliance-Kontrolle: Implementierung von Prozessen, die kontinuierlich die Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards überwachen.
- Dokumentation und Berichterstattung: Dokumentation von Compliance-Initiativen und Bereithaltung entsprechender Nachweise und Unterlagen gegenüber den zuständigen nationalen Behörden.
Für einen umfassenden Überblick über die vom EAA abgedeckten Dienstleistungen beziehen Sie sich bitte auf den ersten Teil unserer Blogpost-Serie über den Accessibility Act.
Auswirkungen auf Produkt- und Vertragsdokumentation
Die Auswirkungen des EAA gehen über digitale Dienste hinaus und stellen Produktdokumentationen und Verbraucherverträge auf den Prüfstand. Alle an Kunden gerichtete Dokumente und Unterlagen (z. B. Handbücher, technische Spezifikationen, Vertragsbedingungen) müssen künftig barrierefrei gestaltet werden. Während der Unternehmensfokus häufig auf die digitale Präsenz gerichtet ist, werden Verträge und gedruckte Dokumente leicht übergangen. Daraus resultiert, dass z.B. ein technisch einwandfreies Produkt für Kunden, welche auf unterstützende Technologien angewiesen sind, unzugänglich bleibt, weil zugehörige Begleitdokumente nicht barrierefrei gestaltet sind. Unternehmen werden mit dem EAA fortan verpflichtet, detaillierte Erklärungen zur Produktfunktionalität und Verwendung, einschliesslich Barrierefreiheitsfunktionen und Gerätekombinationen bereitzustellen. Dabei gilt:
- Informationen müssen über mehrere sensorische Kanäle zugänglich sein, z. B. durch schriftliche Leitfäden in Video-Tutorials mit auditiven Erklärungen.
- Informationen müssen in verständlicher Weise dargestellt werden, d.h. in einfacher Sprache, intuitiv organisiert und mit unterstützenden Tools wie Bildschirmlesegeräten kompatibel sein, um die Zugänglichkeit unabhängig der kognitiven Leistungsstufe oder Lesefähigkeit zu gewährleisten.
- Informationen müssen in einem Textformat vorliegen, welches alternative Darstellungsformen ermöglicht, indem ausreichend Farbkontraste und passende Schriftgrössen zur Verfügung gestellt werden.
- Informationen müssen angemessen und konsistent bereitgestellt werden:
- Wahrnehmbar: Fügen Sie visuelle oder auditive Alternativen für Inhalte hinzu, um sie für Menschen mit sensorischen Beeinträchtigungen zugänglich zu machen.
- Bedienbar: Stellen Sie sicher, dass Benutzeroberflächen für Menschen mit motorischen Einschränkungen leicht navigierbar sind.
- Verständlich: Verwenden Sie eine einfache Sprache und geben Sie klare Anweisungen, um Verständlichkeit und effektive Interaktion mit Inhalten für alle Lese- und Schreibniveaus zu gewährleisten.
- Robust: Halten Sie die Kompatibilität mit verschiedenen unterstützenden Technologien und Geräten aufrecht.
- Inhalte, die keinen Text darstellen wie z. B. Bilder, müssen über Textalternativen wie "Alt-Text" oder "Bildbeschreibungen" barrierefrei zugänglich gemacht werden. Diese sollten visuelle Inhalte klar vermitteln, indem über eine generische Beschreibung, Detaillierung, Funktion und Attribute wie Grösse und Farbe hinausgegangen wird.
Müssen auch Schweizer Unternehmen den EU Accessibility Act einhalten?
Der EAA gilt für alle Organisationen, die Produkte oder Dienstleistungen auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, mit Ausnahme von Kleinunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem jährlichen Umsatz oder einer Bilanzsumme von weniger als 2 Millionen Euro. Der EAA unterscheidet nicht zwischen Unternehmen mit Sitz innerhalb oder ausserhalb der EU. Wird eine Ware oder Dienstleistungen an EU-Kunden verkauft, ist das Unternehmen in der EU tätig und der Anwendungsbereich des EAA ist hiermit eröffnet. Auch ohne direkten Kontakt zu EU-Endkunden kann sich der EAA indirekt auswirken, da Geschäftspartner möglicherweise die Einhaltung von Barrierefreiheitsstandards verlangen, um vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Für Banken und Finanzdienstleister in der Schweiz bedeutet das insbesondere:
- Überprüfung und Anpassung der Online-Präsenz.
- Implementierung umfassender Massnahmen zur barrierefreien Gestaltung von Produkt- und Vertragsdokumentation für Assistenztechnologien.
- Vereinfachung von Sprach- und Informationsinhalten, sodass ein B2-Sprachniveau nicht überschritten wird. Banken müssen Informationen, die Teil ihrer Bankdienstleistungen sind, neu bewerten und anpassen.
Zeitgerechtes Handeln sichert nicht nur die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, sondern steigert auch die Nutzerfreundlichkeit.
Wie können wir Sie unterstützen?
PwC begleitet Sie umfassend bei der Umsetzung des EU-Accessibility Act:
- Ganzheitliche Evaluierung Ihrer Produkte, Services und digitalen Oberflächen auf Barrierefreiheitskonformität.
- Erarbeitung detaillierter Massnahmenpläne zur Anpassung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen.
- Enge Zusammenarbeit mit Ihrem Team, um eine erfolgreiche Implementierung der identifizierten Barrierefreiheitsmassnahmen zu gewährleisten.
Für weitergehende Informationen stehen Ihnen unsere Experten gerne zur Verfügung.